In der letzten REBOUND-Ausgabe haben wir ein Interview mit Löwen-Coach Raoul Korner veröffentlicht, das vor dem Sieg über die Crailsheim Merlins geführt wurde. Wer dieses Interview verpasst hat, es aber gerne lesen würde, bekommt hier die Gelegenheit zur nachträglichen Lektüre.
Der Saisonauftakt war nicht einfach. Nach sechs Spielen hatte ihr zwei Siege und vier Niederlagen auf dem Konto. Unter den bis dahin gespielten Partien waren allerdings vier Auswärtsspiele sowie vier Spiele gegen Playoff-Anwärter wie Berlin und Bamberg. Welche Erkenntnisse ziehst du aus dem Saisonstart?
Wir sind spielerisch weiter, als erwartet. Die Vorbereitung war von „Ups and Downs“ geprägt. Aber das haben wir auch gebraucht, um als Mannschaft eine Identität zu finden. Und die hat sich schon jetzt in den ersten Spielen herauskristallisiert. Wir hatten aber in diesen sechs Partien auch gegen zwei Kategorien von Gegnern gespielt. Einerseits gegen Teams, die in den Playoffs waren und von der Papierform her ganz deutlich über uns stehen. Das waren die vier Niederlagen. Dennoch muss man sagen, dass wir gegen diese Teams überraschend gut dabei waren. Für uns steht die Erkenntnis, dass wir gegen solche Teams mitspielen können, ohne über uns selbst hinaus zu wachsen, sondern indem wir unserem Stil treu bleiben. Die Gegner, die von den Voraussetzungen her eher mit uns gleichzusetzen sind (Bayreuth und Bremerhaven), haben wir bis jetzt ,weggehauen‘. Und das beide Male auswärts. Ich halte mich jedoch weniger mit unserer Bilanz auf, sondern schaue vielmehr auf die Art und Weise, wie wir spielen. Und da haben wir relativ konstant abgeliefert. Wenn wir jetzt nicht einen Einbruch erleiden, dann glaube ich, dass wir weiter in die richtige Richtung gehen werden.
Du hast die Vorbereitung mit den Leistungsschwankungen angesprochen. Im Vergleich dazu tritt das Team jetzt recht stabil auf. Das ist schon etwas ungewöhnlich, oder?
Durchaus. Aber ich glaube, dass wir dieses Jahr aus der guten Vorbereitung der Vorsaison unsere Lehren gezogen haben. Das mag sicherlich merkwürdig klingen, aber die Vorbereitung der letzten Saison war zu gut, und das hat uns beim Saisonstart nicht geholfen. Wir haben es dieses Jahr anders angelegt. Wir haben darauf geachtet, dass wir müde in die Partien gehen, um auch ein bisschen den Charakter der Mannschaft zu testen. Und um sie in Situationen zu bringen, wo es mal richtig frustrierend wird. Davon hatten wir einige. Und ich glaube nur, wenn man mal richtig auf die Nase fällt, weiß man es zu schätzen, wenn man sich wieder aufrappelt. Und man legt auch mehr Wert darauf, diese Sachen zu vermeiden, wenn man erst einmal diesen Schmerz erfahren hat. Wir haben das Team teilweise bewusst massiv ans Limit gebracht, und das hat den Lernprozess insgesamt vielleicht beschleunigt
In den ersten Wochen der Saison hat sich gezeigt, dass Josh Gasser sich vom „Sorgenkind“ der Preseason zum Leistungsträger entwickelt hat. Amin Stevens hingegen war in der Vorbereitung meistens Topscorer, hat in der Saison bis auf die Bremerhaven-Partie noch nicht seinen Rhythmus gefunden. Woran liegt das?
Es ist natürlich so, dass fast jeder von den neuen Spielern sich in seiner Rolle anpassen und diese finden musste. Zu Beginn waren Derek und Keaton sofort da, bei Kenny hat es ein bisschen gedauert, auch bis er in entsprechender körperlicher Verfassung war. Bei Tyrone hat dieser Prozess ebenfalls mehr Zeit beansprucht. Amin hingegen hat anfangs mit einer gewissen Unbekümmertheit agiert, die jetzt etwas verloren gegangen ist. Es hat sicherlich auch damit zu tun, dass Tyrone und Kenny in der Zwischenzeit besser gespielt haben. Und wenn die beiden präsenter sind, dann bleibt weniger Zeit für ihn. Es war aber wichtig, dass Amin uns gegen Bremerhaven gezeigt hat, dass er uns helfen kann und ich hoffe, dass es ihm ähnlich geht wie Josh und er noch richtig durchstartet.
Gegen Bremerhaven war nicht nur Amin stark. Da hat man auch gesehen, dass die Bankspieler generell starke Impulse gegeben haben. Das ist eine Qualität, die man letztes Jahr nicht unbedingt hatte.
Ja, wobei man dazu sagen muss, dass die Starter der letzten Saison dominanter waren. Es ist also nicht nur so, dass die Rollenspieler besser geworden sind, sondern unsere jetzigen Starter nicht die extreme individuelle Qualität haben, welche die Spieler letzte Saison ausgezeichnet hat. Dadurch wirkt das Ganze ein bisschen ausgeglichener. Das muss kein Nachteil sein. Denn wenn uns Dru Joyce ausgefallen wäre, dann hätten wir kaum ein Spiel gewonnen. Ich glaube, dass wir in diesem Jahr Ausfälle besser kompensieren könnten und ich sehe keinen Spieler, der so heraussticht, dass wir ihn nicht als Kollektiv ersetzen könnten.
Nach der Oldenburg-Niederlage hast du gesagt, dass Kleinigkeiten den Unterschied ausgemacht hätten. Was sind das für Kleinigkeiten, bzw. woran muss man feilen, damit auch Top-Teams geschlagen werden können?
Zum einen muss man festhalten, dass wir in solchen Partien nur im Spiel sein können, wenn wir nahezu unser Potenzial ausschöpfen. Und ich glaube, dass wir aktuell eines der Teams in der Liga sind, dem es gelingt, sein Potenzial von den prozentuellen Möglichkeiten her am besten abzurufen. Wenn du aber ein Team hast, das nahe an 100 Prozent fahren muss und gegen einen Gegner spielst, der gerade 60 Prozent fährt, dann hast du in engen und wichtigen Momenten nicht mehr viel Steigerungspotenzial, während sich die andere Mannschaft von 60 auf 70 Prozent steigert und die Partie gewinnt. Da können wir nicht viel tun. Was wir hingegen machen können, ist die kollektive Sicherheit zu schaffen, dass wir in den entscheidenden Momenten unseren Stil nicht verändern. Damit meine ich, dass wir nicht plötzlich die Brechstange herausholen und versuchen, Helden zu sein. Natürlich geschieht das nur unter den besten Vorsätzen und nicht aus einem Egoismus heraus. Sollten wir uns in dieser Hinsicht noch einmal als Kollektiv steigern, dann denke ich, dass wir auch solche Partien gewinnen können und werden. Wenn uns das ein, zwei Mal gelingt, dann bekommst du Sicherheit und Selbstvertrauen als Team und vergrößerst damit ohnehin deine Siegchancen.
Wo wir gerade bei dem Punkt Selbstvertrauen sind: Ist das taffe Auftaktprogramm vielleicht von Vorteil gewesen sein, weil das Team realisiert hat, dass es gegen Brocken wie ALBA oder Bamberg nicht nur mithalten sondern ihnen auch Paroli bieten konnte?
Sicht heute würde ich die Frage bejahen. Aber das war ja nicht anzunehmen. Denn es hätte auch sein können, dass wir vier Mal komplett einen auf die Mütze bekommen, wir unsere Auswärtsspiele verlieren und dann stehen wir mit 0:12 da. So glaube ich schon, dass man uns konstatieren kann, auf dem richtigen Weg zu sein und es ist wichtig, dass wir diesen mit aller Konsequenz weitergehen.
Ihr habt gerade gegen Crailsheim gewonnen (Spielbericht) und als nächstes warten Gießen (21. November, 18.30 Uhr) und Würzburg (25. November, 20 Uhr). Der Druck gegen diese Teams, wie auch schon gegen Crailsheim, ist ein anderer, weil ihr mitunter als Favorit in diese Spiele geht und Siege dabei rumkommen sollten.
Ich bin ich kein Freund von der Vergabe einer Favoritenrolle. Was vor dem Spiel ist, ist belanglos. Ich habe den Spielern jedoch schon nach der Oldenburg-Partie gesagt, dass es jetzt richtig ernst wird. Wir sind zwar auf einem guten Weg, aber der muss sich in Siegen ausdrücken. Wir müssen uns aber nicht auf Sieg und Niederlage versteifen, sondern müssen wissen, dass wenn wir unserem Stil weiterhin treu bleiben, dann werden wir diese Teams schlagen. Dafür müssen wir nach wie vor mit der nötigen Konsequenz arbeiten und agieren.
Aufsteiger Würzburg ist mit fünf Siegen und nur einer Niederlage gegen Bonn in die Saison gestartet. Ist das überraschend für dich?
Nein, von den Möglichkeiten her ist Würzburg nicht der typische Aufsteiger, sondern ein Team, das Anwaltschaft auf die Playoffs anmelden kann/muss. Allerdings war Bonn bisher der erste richtige Härtetest, den haben sie nicht bestanden. Das ist aber kein Beinbruch, in Bonn muss man auch als Playoff-Team nicht gewinnen. Würzburg ist alles andere als ein potenzieller Absteiger und wir wissen ja auch aus eigener Erfahrung, was sie für Möglichkeiten haben: Stichwort Dru Joyce. Würzburg ist ein Playoff-Anwärter – Punkt.
Würzburg ist ein Playoff-Anwärter und die anderen beiden „Aufsteiger“ Crailsheim und Gießen stärker als erwartet. Im Umkehrschluss und in Anbetracht der Stärke der weiteren Teams heißt das, dass diese Saison noch ausgeglichener wird als in den vergangenen Jahren. Was bedeutet das für die Löwen?
Möglichst schnell zwölf Siege einzufahren. Ich gehe davon aus, dass die Spitze ein bisschen abreißen wird. München und Bamberg werden etwas fortziehen, Berlin wird sich dranhängen. Und danach ist es sehr ausgeglichen. Letztes Jahr hat man um diese Zeit gesagt: Ok, Crailsheim steigt ab und mal sehen, wen es noch erwischt. Das gibt es jetzt nicht. Und man darf auch nicht vergessen, dass die Teams, die von unten hochgekommen sind, auf einer Euphoriewelle schwimmen. Wenn die mit 2:10 dastehen, haben sie immer noch positive Energie. Wenn wir oder Bayreuth oder Bremerhaven ein 2:10 hätten, dann wäre es negative Energie. Deshalb waren unsere zwei Siege gegen Bayreuth und Bremerhaven auch sehr wichtig. Solche Teams müssen wir hinter uns lassen. Das ist noch wichtiger, als diese „Energy“-Teams zu deklassieren.