Offseason Interview mit Nils Mittmann: „Müssen Herausforderung zwischen sportlicher Entwicklung und Erfolg in Form von Siegen meistern“

Offseason Interview mit Nils Mittmann: „Müssen Herausforderung zwischen sportlicher Entwicklung und Erfolg in Form von Siegen meistern“

16.07.
2023

Das Telefon steht bei Nils Mittmann selten still. Vor allem nicht in der Offseason, in der es gilt, die Weichen für die neue Spielzeit zu stellen. Dennoch hat sich der Löwen-Geschäftsführer und Sportdirektor Zeit für ein Interview genommen. Dabei geht’s um einen Blick zurück auf die vergangene Saison und die aus ihr gezogenen Schlüsse, aber auch um die finanziellen Herausforderungen.


Die Saison ist seit zwei Monaten vorbei. Nachdem man alles hat sacken lassen: Wie habt ihr die Saison in der Nachbetrachtung bewertet?

Nils Mittmann: Es war eine Saison mit vielen Herausforderungen und Widrigkeiten, aus der wir viel lernen konnten. Und auch wenn es bis zum Ende hin sehr nervenaufreibend war, so würde ich die Saison dennoch als erfolgreich bezeichnen. Das hat drei wesentliche Gründe: Erstens haben wir trotz der genannten Widrigkeiten gegen sehr starke Konkurrenz die Liga gehalten. Zweitens haben wir in Phasen, in denen der sportliche Erfolg ausblieb, als Team und Club zusammengehalten und immer gekämpft. Und drittens haben wir die richtigen Entscheidungen getroffen, um in Form von Nachverpflichtungen auf die sportlichen Herausforderungen zu reagieren. Und die haben dann auch den nötigen Erfolg gebracht.

Sind diese Entscheidungen, die innerhalb der Saison getroffen werden mussten, auch gleichzeitig eine Lehre für die kommende Spielzeit?

Sicherlich hat diese Saison dazu geführt, dass wir mehr Erfahrungen gesammelt haben, die in zukünftige Entscheidungen einfließen werden. Wir sind grundsätzlich immer bestrebt, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Aber wir werden weiterhin Fehler machen und die gehören zum Entwicklungsprozess dazu. Natürlich sollten es immer weniger werden, aber alle Entscheidungen, die wir getroffen haben, waren zum damaligen Zeitpunkt vertretbar. Und man muss auch wissen, vor welchem Hintergrund Entscheidungen fallen. Gerade in Bezug auf die Kadergröße, -tiefe und -qualität sind wir von Bedingungen abhängig, die uns keinen großen Handlungsspielraum lassen.

Die nachverpflichteten RJ Cole, Dustin Sleva und Divine Myles haben voll eingeschlagen. Fotos: Christian Schlüter

Jetzt steht man vor der nächsten Herausforderung: Kaderbildung! Durch die Abgänge von David Krämer, Robin Amaize und Benedikt Turudic gibt es auf den deutschen Positionen einen erheblichen Substanzverlust. Wie kann der aufgefangen werden?

Das ist einfach zu beantworten: Einerseits müssen unsere unter Vertrag stehenden jungen Spieler mit Entwicklungspotential ihr Leistungsvermögen zunehmend mehr abrufen. Andererseits ist der Qualitätsverlust durch die Abgänge aber so groß, dass wir diesen nicht nur mit internen Mitteln auffangen können und folglich neue Spieler mit Qualität einbringen müssen. Mit Ferdinand Zylka und TJ Crockett haben wir bereits zwei Spieler verpflichtet, die unserer Meinung nach ihren Teil dazu beitragen werden. Wichtig ist: Es geht nicht darum, Robin Amaize, David Krämer oder Benedikt Turudic 1:1 zu ersetzen. Bei all unseren Verpflichtungen ist ein Muster zu erkennen: Wir sind auf der Suche nach jungen, hungrigen Spielern mit großem Entwicklungspotenzial, das sie mit unserer Hilfe und ihrem Arbeitseifer bei uns abrufen und entfalten können und sollen. Das ist unser grundlegendes Konzept, darüber definieren wir uns und das werden wir auch in der kommenden Saison so machen.

Als wir David Krämer vor zwei Jahren verpflichtet haben, war er auch ein anderer Spieler als heute. Jetzt ist er gestandener Nationalspieler und deutscher Topscorer der BBL. Den Spieler eines solchen Formats werden wir diesen Sommer nicht verpflichten, dafür holen wir jetzt vielleicht den Topscorer der Saison 2025/26. Dieser Prozess ist auch alternativlos, weil wir Stand jetzt noch nicht in der Lage sind, in dem Segment unserer Abgänge neue Spieler einzukaufen. Und das gilt vor allem für deutsche Spieler, die aufgrund der Marktknappheit teurer sind. Aber uns ist natürlich bewusst, dass wir nicht nur mit „Potenzial“ spielen können. Am Ende geht es auch um Spielstärke, Führung und Qualität. Da müssen wir die Balance finden und die Herausforderung zwischen sportlicher Entwicklung und Erfolg in Form von Siegen meistern, damit wir die Erstligazugehörigkeit sichern.

„Das Korsett darf nicht zu eng sein“

Wie realistisch ist es aufgrund der thematisierten Marktknappheit, noch einen Spieler mit deutschem Pass zu verpflichten?

Zunächst einmal ist entscheidend, dass wir nicht nach dem Pass, sondern passende Spieler verpflichten. Die Herkunft spielt dabei sicherlich auch eine Rolle. Wir achten darauf, welche Spieler eine Relevanz für die deutsche Nationalmannschaft haben, weil wir der Überzeugung sind, dass wir den deutschen Basketball stärken müssen. Aber wir dürfen die sportliche Wettbewerbsfähigkeit nicht außer Acht lassen. Das heißt: Ja, es liegt eine gewisse Priorisierung auf der Verpflichtung von deutschen Spielern, aber nicht um jeden Preis. Wir sehen uns mit unseren unter Vertrag stehenden deutschen Spielern erst einmal gut aufgestellt und wenn es uns gelingen sollte, vielleicht noch einen oder zwei deutsche Spieler zu akquirieren, dann wäre das sehr positiv. Aber das muss konzepttreu geschehen, bedeutet: der Spieler muss das Potenzial haben, sich bei uns zum Leistungsträger zu entwickeln. Sollte das passen, werden wir versuchen, diesen Spieler zu verpflichten und wenn es nicht klappt, dann ist es nicht schlimm. Dann müssen wir in der Saison 2023/24 vielleicht in einem anderen Verhältnis von deutschen zu ausländischen Akteuren spielen.

Und den Kader gegebenenfalls mit mehr ausländischen Spielern zu besetzen, steht nicht im Widerspruch zum Löwen-Konzept?

Auf keinen Fall. Unsere Ausrichtung ist wie gesagt nicht an Passzugehörigkeiten gekoppelt. Manchmal ist es vielleicht die richtige Entscheidung, einen deutschen Spieler nicht zu verpflichten, da er sonst einen anderen Spieler in seiner Entwicklung blockieren würde. Sicherlich sind wir ein Club, der sich das Entwicklungsthema auf die Fahne geschrieben hat. Aber das Korsett darf nicht zu eng sein. Wir machen uns nicht die Vorgabe, unbedingt mit einer Anzahl X an deutschen Spielern spielen zu müssen. Das wäre auch sinnbefreit, da wir dem Konzept gegenüber gewisse Verpflichtungen haben. Eine ist, einen gewissen sportlichen Erfolg zu erzielen. Das ist herausfordernd genug und kein Selbstläufer, wie die vergangene Saison gezeigt hat. Deshalb wäre es fatal, sich in einer der besten Liga Europas von einer Quotenerfüllung leiten zu lassen. Dennoch sind wir absolut von unserem Ansatz überzeugt und glauben, dass es der richtige Weg für unseren Standort und für Basketball-Deutschland ist, den Nachwuchs konsequent zu fördern.

David Krämer hat die Löwen nach einer herausragenden Saison verlassen und spielt zukünftig in Europas bester nationaler Liga – in der spanischen ACB. Foto: Soulclap Media

Neben den Abgängen auf den deutschen Positionen wird es wohl auch auf den Importpositionen zu Veränderungen kommen. Welche Spieler werden für den Löwen-Kader 2023/24 gesucht?

Wir fokussieren uns bei der aktuellen und geduldigen Suche auf die Positionen eins und vier. Wir sind unisono der Meinung, dass wir auf diesen beiden Positionen qualitative Schwerpunkte setzen müssen, zumal es Schlüsselpositionen in unserem spielerischen Konzept sind. Die vergangene Saison hat uns auch gezeigt, dass wir da die bestmöglichen Spieler benötigen. Die müssen einerseits zu unserem Club und zu unserer Ausrichtung passen, uns aber andererseits auch die entsprechende Durchschlagskraft auf dem Feld geben. Sicherlich sind Qualität und Leadership teuer, weshalb wir immer wieder Kompromisse eingehen müssen. Aber es ist uns wichtig, Spieler zu finden, die neben ihrer Qualität auch die Bereitschaft haben, alles für unser Konzept zu tun und Spaß daran haben, ihre Erfahrung an junge Spieler weiterzugeben. Deshalb nehmen wir uns auch bewusst Zeit, um hier eine gute Wahl zu treffen.

„Wir sind davon abhängig, weitere neue Partner zu gewinnen“

Wenn es um Kaderbildung geht, dann geht es auch immer um die finanziellen Möglichkeiten. Jetzt wurde gerade die sehr wichtige Verlängerung mit Volkswagen Financial Services als Hauptsponsor bekanntgegeben, die dem Club Stabilität gibt. Aber wie steht es um eine Etatsteigerung, die ja nicht nur für die Erreichung der Club-Ziele, sondern auch laut der BBL-Strategie “Triple Double” zukünftig nötig ist?   

Zunächst einmal nehmen wir wahr, dass das Umfeld, die Fans, die Partner und die Mannschaft sich mit unserem Club identifizieren. Das ist ein wichtiger Faktor zur Markenbildung, hat uns in schwierigen Phasen Halt gegeben und ist ein sympathischer Ansatz, mit dem wir auch abseits des Feldes punkten und in Gesprächen mit Partnern eine gute Position haben. Wir sind auch sehr dankbar dafür, dass Volkswagen Financial Services uns weiterhin zur Seite stehen, wir über die letzten drei Jahre viele neue Sponsoren dazugewonnen haben und die Loyalität einiger Partner bereits jahrzehntelang zurückreicht. Wir setzen da etwas fort und bauen gleichzeitig etwas neu auf.

Doch trotz der bereits existierenden wichtigen Unterstützung durch unsere Partner sind unsere finanziellen Verhältnisse weiterhin sehr eng und angespannt. Wir befinden uns mit unserem Etat im unteren Drittel der BBL und müssen das verbessern. Wir sind da auf einem guten Weg, aber sehr davon abhängig, weitere neue Partner zu gewinnen, die den Wert der Basketball Löwen für die Stadt Braunschweig und ihr eigenes Unternehmen als Werbeplattform sowie Transporteur für die eigenen Botschaften sehen und den Weg mit uns beschreiten wollen. Das brauchen wir, wenn wir mittelfristig die sportlichen und notwendigen Ziele erreichen wollen, um unseren Ansatz nachhaltig zu erhalten. Das heißt zum Beispiel, nicht um den Klassenerhalt, sondern um die Playoffs zu kämpfen und im internationalen Wettbewerb zu spielen. Das wäre der nächste große Meilenstein, um noch mehr Spieler mit Potenzial für unseren Standort zu begeistern.

Aber es geht auch darum, unsere Strukturen im Bereich Trainingshalle und Nachwuchsarbeit zu professionalisieren. Das sind sehr wichtige Zwischenschritte, die wir erfüllen und aber auch finanzieren müssen. Wir befinden uns immer noch im „Überlebenskampf“ und können diese Ziele kaum strategisch planen, weil uns oftmals die finanziellen Mittel fehlen. Dabei geht es nicht nur um den Kader, sondern auch um die Geschäftsstelle, wo jeder einzelne an seine Grenze der Belastbarkeit geht. Das sollte nur eine Momentaufnahme sein, aber es hängt nun einmal am lieben Geld und das ist die größte Stellschraube für den weiteren Verlauf sowie Erfolg des Konzepts. Das klingt sicherlich angespannt. Aber in meinen Augen bedarf es gar nicht so viel mehr, um eine positive Dynamik zu entfachen und sich signifikant in allen Bereichen zu verbessern.

Apropos Strukturen. Die Trainingssituation hat in den vergangenen Monaten recht hohe Wellen geschlagen. Wie ist da der aktuelle Stand?     

Dieses Thema wird für die kommende Saison vermutlich herausfordernd bleiben. Es gibt zwar Lösungsansätze, die aber zahlreiche Variablen und Fallstricke beinhalten. Deshalb gestaltet sich die Situation weiterhin schwierig und wird vermutlich nicht so schnell zu lösen zu sein.

Dennoch: Wie groß ist deine Vorfreude auf die neue Saison?

Die ist riesig! Wir haben zum jetzigen Zeitpunkt schon mehr Dauerkarten verkauft als in der vergangenen Saison. Das zeigt uns, dass das Interesse an den Löwen stetig wächst, und über diesen steigenden Zuspruch freue ich mich sehr. Bis zum Saisonstart haben wir aber noch spannende Wochen vor uns. Wir arbeiten akribisch daran, die weiteren Kaderplätze zu besetzen und werden Anfang August in die Vorbereitung starten. Ich kann kaum erwarten, dass es bald wieder losgeht und wir unsere Fans hoffentlich schon bei einem öffentlichen Testspiel sehen werden. Eins wird es in der Volkswagen Halle geben, so viel kann ich schon einmal verraten. Aber weitere Informationen dazu folgen etwas später.

Vielen Dank! 

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