„Man muss erkennen, wo man steht und wo man hin will“

„Man muss erkennen, wo man steht und wo man hin will“

22.10.
2016

Dyshawn Pierre ist als letzter Neuzugang zum Ende der Vorbereitung zu den Löwen gestoßen und beginnt hier seine Profi-Karriere. Nach vier Jahren am College und einer starken letzten Spielzeit, die er mit seinem Team zum Ende der regulären Saison als Co-Champion der Atlantic 10-Conference abgeschlossen hat, warten hier nun neue Erfahrungen und Lernprozesse auf den 22 Jahre alten Kanadier, der sich bei den Löwen aber von Beginn an gut in die Mannschaft eingefügt hat.

„Das Team und die Coaches haben es mir einfach gemacht, hier schnell Fuß zu fassen“, sagt der 1,98 Meter große Forward, der aktuell auf 9,8 Punkte und 6,6 Rebounds im Schnitt kommt. Für den athletischen und Rebound-starken Dyshawn ist es seine Rookie-Saison – das heißt, sein erstes Profijahr nachdem er zuvor vier Jahre lang am College spielte. Er besuchte die University of Dayton (NCAA1) und war einer der wichtigsten Spieler für das dortige Basketball-Team Dayton Flyers. 12,6 Punkte und 8,5 Rebounds hatte der Neu-Löwe in seinem Senior-Jahr aufgelegt – eine Leistung, die ihm Nominierungen in das Atlantic 10 All-Championship Team und das Atlantic 10 All-Conference Second Team einbrachten. Und auch in der NBA Summerleague 2016 kam Dyshawn zum Zug: Dort wurde er drei Mal für die Indiana Pacers eingesetzt und kam in durchschnittlich 14,5 Spielminuten auf 1,7 Punkte sowie 2,3 Rebounds. „Ich hatte eine großartige Zeit am College und hatte dort auch eine große Rolle. Jetzt geht es aber darum, sich nicht auf diesen Zeiten auszuruhen, sondern hart weiterzuarbeiten und zu erkennen, wo man steht und wo man noch hin will“, so der Löwen-Forward.

Sicherlich bedarf es bei der Umstellung von College- auf europäischen Profi-Basketball noch einiger Zeit. Das fängt für Dyshawn damit an, dass hier zwei Mal pro Tag trainiert wird, während es am College nur eine Trainingseinheit gab. Außerdem sei am College alles etwas mehr geplant gewesen, allein schon dadurch, dass man vormittags mit dem Besuch der Vorlesungen beschäftigt war. Aber auch direkt im Spiel gibt es deutliche Unterschiede. So nennt er zum Beispiel die Shotclock, die am College auf 30 Sekunden eingestellt ist und nicht wie hier auf 24 Sekunden. „Daran muss ich mich noch gewöhnen, genauso wie an die Spielintelligenz der Gegner. Hier treffe ich jetzt auf Spieler, von denen viele schon wesentlich mehr Erfahrungen sammeln konnten und diese in ihrem Spiel geschickt einzusetzen wissen. Da zahle ich hin und wieder Leergeld, was mich aber auch motiviert, an mir zu arbeiten“, sagt Dyshawn. Überhaupt ist der sympathische 22-Jährige sehr darauf fokussiert, sich weiterzuentwickeln und konzentriert sich stark auf seinen Sport. „Ich nutze meine freie Zeit, um über mein Spiel nachzudenken oder mich auf das nächste Training und Spiel vorzubereiten. Ich schlafe auch recht viel, um auf dem Spielfeld immer genug Energie zu haben. Ich will einfach bereit sein“, sagt er weiter.

So entsteht dann manchmal auch der Eindruck, als gäbe es zwei Dyshawns. Der eine Dyshawn, der abseits des Spielfelds eher der stille und ruhige Typ ist. Und der andere Dyshawn, der auf dem Parkett mit viel Energie agiert und versucht, von allem etwas zu machen. Punkten, Rebounds einsammeln, aber auch Assists verteilen sind die Bereiche, in denen der junge Kanadier bislang schon auf sich aufmerksam gemacht hat. „Die Coaches bringen mich auf dem Spielfeld in die bestmögliche Situation. Und ich fühle mich im Spiel bislang auch ganz gut, bin aber nicht zufrieden mit mir“, sagt er selbstkritisch und spricht vor allem seine Leistungen gegen Bamberg und Bayreuth an. Diese Niederlagen hätten sehr weh getan, aber es sei wichtig, dennoch positiv zu bleiben und zu wissen, dass man besser wird. In solchen Momenten hilft auch Zuspruch, den Dyshawn sich von seiner Familie und seinen Freunden in der Heimat abholt. Er kommuniziert täglich über „facetime“ mit seinen engen Vertrauten zu Hause und gibt auch zu, dass er seine Heimat etwas vermisst. Heimweh habe er aber nicht, auch deshalb nicht, weil er sich in Braunschweig wohlfühlt. Die Stadt gefalle ihm sehr gut und auch der Lebensstil sei hier in Deutschland nicht so anders als in den USA. „Ich konnte mich schnell einleben, man macht es uns hier sehr einfach, anzukommen“, sagt der 22-Jährige aus der etwa 120.000 Einwohner-großen Stadt Whitby in Kanada. Und er sei es ja auch gewöhnt, von zu Hause entfernt zu leben. Schließlich trennten Dayton in Ohio und seinen Heimatort um die 800 Kilometer, weshalb Dyshawn nur drei Mal im Jahr zu Hause war: An Thanksgiving, zu Weihnachten und zu Ostern.

Hier in Braunschweig war er schon mehrfach zusammen mit den Teamkollegen essen und ein paar Mal zusammen mit Carlton „Scootie“ Guyton in den Schloss-Arkaden. Einen Trip nach Berlin haben die beiden auch schon zusammen unternommen und wollen demnächst noch einen Outlet Store besuchen. „Ich liebe es, einkaufen zu gehen. Aber nicht für mich selber sondern für meine Familie und Freunde. Ich mag es, sie zu überraschen und ihnen eine Freude zu bereiten“, sagt Dyshawn, der sich seine Zeit auch gerne mit Videospielen und Kinobesuchen vertreibt. Und dann lernt er auch noch Deutsch. „Die Sprache ist bislang meine größte Barriere, die ich hier habe. Sicherlich spricht hier fast jeder auch Englisch. Aber gerade wenn ich einkaufen gehe, weiß ich manchmal nicht, was ich kaufe, weil ich nicht lesen kann, was auf der Verpackung steht“, erklärt er lachend. Um diesem Umstand Abhilfe zu leisten, hat Dyshawn bereits zwei Lektionen eines Sprachprogramms hinter sich. Wirklich raus mit der „deutschen Sprache“ will er aber noch nicht. „Es ist nicht einfach, Deutsch zu lernen. Aber ich werde weiterhin daran arbeiten. Gleiches gilt für mein Basketball-Spiel. Ich habe in beiden Bereichen noch viel zu lernen“, sagt der Löwen-Forward, dessen Traum natürlich ist, irgendwann einmal in der NBA spielen zu können.

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