„Kenny selber ist sein größter Kritiker“

„Kenny selber ist sein größter Kritiker“

09.12.
2015

Wer’s im letzten REBOUND nicht gelesen hat, bekommt hier noch eine zweite Gelegenheit zur Lektüre der Homestory mit Kenny Frease: „Einen Tag nach der Niederlage gegen die FRAPORT SKYLINERS haben wir uns mit Löwen-Center Kenny Frease und seiner Frau Emily getroffen. Das REBOUND-Team ist mit den beiden ein wenig über den Weihnachtsmarkt geschlendert, um mehr über den „Wühlbüffel“ zu erfahren und das Paar etwas besser kennenzulernen. Der gemeinsame Hund Teddy ist allerdings zu Hause geblieben, weil er mehr der „Wohnungshund“ ist, wie beide lachend erklären.“

Kenny sieht noch ein wenig verschlafen aus, als wir uns gegen 13 Uhr mit ihm und Emily treffen. Seine Nacht sei nicht besonders lang gewesen. „Ich bin erst gegen 4.00 Uhr eingeschlafen. Ich kann nach den Spielen nicht immer sofort abschalten, sondern brauche da meistens noch etwas Zeit“, sagt der 2,11 Meter-Hüne, der im vergangenen Sommer nach Braunschweig wechselte. „Die Stimmung nach der Niederlage war aber nicht schlecht. Was auch daran lag, dass wir vorher drei wichtige Spiele in Folge gewonnen haben. Aber man, Johannes Voigtmann ist wirklich ein sehr starker Spieler“, schiebt Kenny hinterher. Er hatte seine liebe Müh gegen den Frankfurter Center und konnte in dieser Partie nicht so die Akzente setzen, wie es dem physischen Löwen-Big Man zuletzt gelungen war. Und so sah man, was man regelmäßig während der Löwen-Spiele beobachten kann: Kenny schüttelte immer wieder seinen Kopf – nach eigenen Fehlern und Punkten seines direkten Gegenspielers. „Kenny selber ist sein größter Kritiker. Und er hadert wirklich viel mit sich, manchmal vielleicht zu viel“, sagt Emily und wuschelt ihm dabei durch seinen üppigen Bart. Diese Geste sorgt spontan für ein Lächeln im Gesicht des 26-Jährigen, der trotz seiner selbstkritischen Einstellung und seines häufiger grummeligen Gesichtsausdrucks während der Spiele ein sehr lustiger Typ zu sein scheint. Trainer wie Spieler berichten immer wieder, dass Kenny für Lacher gut ist. „Er hat einfach einen tollen Humor. Mit Kenny kann man viel Spaß haben“, schwärmt seine Frau. Beide haben einen Hang zur Ironie und zum Sarkasmus, und das muss man durchaus wissen, um so manchen Satz richtig einordnen zu können. „Es kommt schon einmal vor, dass wir fast vor Lachen umfallen und andere um uns herum nicht… weil sie es wohl nicht verstanden haben“, sagt Emily, die seit Kenny’s erster Profisaison immer an seiner Seite weilt.

Beide haben sich an der Xavier University kennengelernt. Sie spielte Volleyball, er natürlich Basketball. „Kenny war irgendwie immer da. Egal, wo man war, er war es auch“, so Emily. Und so dauerte es nicht lange, bis sie anfingen, sich zu treffen und auch bald ein Paar wurden. „Wir haben uns zwar auch gefühlte sieben Mal wieder getrennt, aber immer wieder zusammengefunden. Und dann haben wir geheiratet. Seitdem werde ich sie einfach nicht mehr los“, grinst Kenny. Beide sticheln sich hin und wieder gerne und wirken sehr vertraut im Umgang miteinander. Sie teilen sich das Mummebrötchen mit Spanferkel auf dem Weihnachtsmarkt, ihre Hand ist zeitweise zum Wärmen mit in seiner Jackentasche verschwunden und beim Betrachten von möglichen, neuen Handschuhen für Kenny ist Emily sofort als Ratgeberin zur Stelle. „Kenny ist nicht nur mein Mann, sondern auch mein bester Freund. Für mich war damals klar, dass ich mitgehen würde, als er nach dem College seine Profikarriere in Europa starten wollte. Ich liebe diese Zeit, die wir nun hier gemeinsam verbringen können“, sagt sie. Beide teilen das Interesse für Reisen und sie nutzen die Zeit in Europa, um möglichst viel zu sehen. So sprudeln ihre Reiseerfahrungen auch förmlich aus ihnen heraus. „Wir waren in Prag, so eine wunderschöne Stadt. Und Rom und London sind auch sehr interessant und aufregend, aber teuer. In Venedig war ich auch, Emily leider nicht. Aber wir planen demnächst noch weitere Trips nach Wien, Kopenhagen und auch Athen“, erzählt ein sehr redseliger Kenny und kommt nicht umhin, dabei auch über ihre Zeit in der Türkei zu berichten. Dort begann er die vergangene Saison, bevor er zurück zu den Artland Dragons wechselte. „Es war schon etwas speziell. Für mich war es ok, aber für Emily war die Lebenssituation dort nicht ganz so einfach“, sagt der Center. Es seien vor allem die kulturellen Unterschiede gewesen, die für Emily gewöhnungsbedürftig waren und den Aufenthalt für sie erschwert hätten. „Aber das Land und das Essen waren sehr schön und gut“, fügt sie hinzu und macht dann auch den Aspekt „Essen“ zum Thema, als Kenny noch einmal in das Mummebrötchen beißt. Emily berichtet, dass Kenny ein sehr guter Koch ist und er ebenfalls großartigen Glühwein macht. „Als wir noch im Artland waren, haben Lawrence Hill und ich zusammen Glühwein selbst zubereitet. Der war super – und stark“, grinst Kenny. Seine Frau achte allerdings sehr auf eine gesunde Ernährung und so bemerkt der Löwen-Center nebenbei, dass Emily ihn auf Diät gesetzt hat. Kenny kann das allerdings nicht unbedingt nachvollziehen und schüttelt mal wieder seinen Kopf. Schließlich hat er in dieser Saison das erste Mal das Gefühl, dass er in richtig guter körperlicher Verfassung ist und eigentlich alles essen kann. „Ich habe im Sommer hart trainiert und darauf geachtet, dass ich hier fit ankomme. Ich habe auch in der Vorbereitung noch 5 Kilogramm abgenommen und fühle mich körperlich wirklich gut“, berichtet Kenny. Und deshalb zögert er auch nicht, mal in etwas hineinzubeißen, dass auf der Liste gesunder Nahrungsmittel nicht ganz oben steht.

Der Bummel über den Weihnachtsmarkt inspiriert beide, Neues auszuprobieren. So kommen sie nach dem Mummebrötchen auch nicht um die so gefragten gebrannten Mandeln von Mandel Meier herum. „Wir können es gar nicht erwarten, mit unseren Familien über den Weihnachtsmarkt zu gehen. Er ist wirklich so schön, wie uns Brandon Thomas (ehemaliger Braunschweiger Spieler) schon berichtet hat“, frohlockt Emily. Kenny’s Eltern kommen dieser Tage zu Besuch und bleiben über die Feiertage in Braunschweig. Deshalb laufen die Vorbereitungen jetzt auch schon auf Hochtouren – vor allem in Sachen Weihnachtsdekoration. „Ich liebe Weihnachten und bin schon ganz aufgeregt. Zu Hause in den USA haben wir auch immer diese leuchtende Haus- und Gartendeko. Völlig wahnsinnig. Aber das gehört für uns dazu“, erzählt sie begeistert. Beide freuen sich riesig, dass Kenny’s Eltern jetzt nach Braunschweig kommen und „wir das erste Mal das Gefühl haben, ihnen mit etwas Stolz zeigen zu können, wo wir jetzt leben. Das soll nicht falsch verstanden werden. Aber in Tübingen haben wir in einem kleinen Vorort gelebt, wo es nicht viel zu sehen gab. Und in Quakenbrück fühlten wir uns auch sehr wohl – aber der Ort an sich hatte eben nicht viel zu bieten. Hier in Braunschweig ist das anders. Wir lieben die Stadt und die Möglichkeiten, die sie uns bietet“, sagt Kenny.

Natürlich werden seine Eltern auch bei einigen Heimspielen mit dabei sein und dann wird vor allem seine Mutter ein Auge auf ihn haben. „Sie ist der Grund, weshalb ich überhaupt mit dem Basketball angefangen habe. Meine Mutter hat früher selber Basketball gespielt und mich davon überzeugt, es einmal zu probieren. Damals habe ich Basketball aber fast gehasst und hatte viel mehr Interesse an American Football. Dennoch hat sie mich dazu bekommen, und wir haben häufig in unserer Hauseinfahrt 1-gegen-1 gespielt. Eines Tages ist sie jedoch so stark an mir abgeprallt, dass sie sich eine Schulterverletzung zugezogen hat. Sie kann heute noch nicht ihren Arm ohne Schmerzen heben“, berichtet Kenny etwas verschämt. Dieser Moment bedeutete zwar – wie sollte es auch anders sein – das Ende der 1-gegen-1-Partien mit seiner Mutter, war dafür aber so etwas wie der Anfang seiner Basketball-Karriere. In dieser hat Kenny an der High School unter den Körben dominiert, nach zwei nicht ganz einfachen ersten Jahren am College immer mehr seinen Rhythmus gefunden und ist in seinem Team Xavier Musketeers (NCAA1) zum Führungsspieler geworden, um dann anschließend in Tübingen anzuheuern, sich dort für die Artland Dragons zu empfehlen und nun – nach einem Kurzaufenthalt in der Türkei – für die Löwen auf Korbjagd zu gehen. Hier hat er eine größere Rolle inne, als zuvor bei den Dragons. Sein Ziel besteht darin, sich weiterzuentwickeln und dem Team das zu geben, was es braucht. „Gegen Gießen hatte ich vermutlich mein schlechtestes Offensiv-Spiel in dieser Saison. Dafür habe ich versucht, defensiv zu helfen“, so der Big Man. Das war ihm nicht nur in der Partie gegen die Hessen mit fünf geblockten Würfen (Karrierebestleistung) mehr als geglückt. Und auch wenn es zwischendurch wie gegen Frankfurt mal nicht so ganz rund läuft, so kann man sich sicher sein, der Kenny hart dafür arbeiten wird, schon im nächsten Spiel wieder die nötigen Akzente setzen zu können.

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