Gavin Schilling: Viele „Bewegungen“ – ein Ziel

Gavin Schilling: Viele „Bewegungen“ – ein Ziel

16.12.
2020

Die Physik beschreibt eine „Bewegung“ als die örtliche Veränderung eines Massepunktes oder eines physikalischen Körpers mit der Zeit. Dass Löwen-Center Gavin Schilling auf den ersten Blick nicht mit dieser Naturwissenschaft in Verbindung gebracht werden muss, ist verständlich. Doch der zweite Blick, nämlich der auf die sportliche Laufbahn des 25-Jährigen, offenbart viele solcher „Bewegungen“: Einerseits in sportlicher Hinsicht, wo er seinen athletischen Körper gerne spektakulär durch die Luft fliegen lässt und andererseits mit vielen örtlichen Wechseln auf dem Globus.

Der erste Stopp im Leben von Gavin ist sein Geburtsort, die bayrische Landeshauptstadt München. Schon wenige Wochen nachdem er das Licht der Welt erblickt, zieht es die Schillings nach Straßburg, wo Vater Andreas nach seiner Karriere als Handballprofi eine erste berufliche Anstellung findet. Im Alter von acht Jahren trennen sich Gavins Eltern, gemeinsam mit dem vier Jahre jüngeren Bruder Nigel geht es in die Heimat von Mutter Lisa nach Chicago. „Als Kind denkst du dir, so etwas ist normal. Du schwimmst einfach mit dem Strom“, so Gavin, der seinen Vater trotz großer Distanz regelmäßig sehen kann. „Mein Vater arbeitet im Marketing und war schon damals viel in der Welt unterwegs. So hatten wir die Chance, uns alle zwei Monate zu sehen und er hat sich wirklich sehr um uns gekümmert.“ Die Distanz wird im Jahr 2010 mit dem nächsten Ortswechsel wieder bedeutend geringer, als Gavin sich für eine Saison dem Basketballinternat Ehingen Urspring anschließt und nach Deutschland zurückkehrt. Dort gewinnt er die JBBL-Meisterschaft und dominiert die Gleichaltrigen. Allein im JBBL-Finale erzielt er 32 Punkte, holt dazu neun Rebounds. „Das war eine geile Zeit“, blickt Gavin zurück.

Gavin Schilling schließt hier per Korbleger ab.
Foto: SoulClap Media

Dennoch heißt es nach einem Jahr Abschied nehmen, es geht wieder nach Chicago: „Für mich war klar, dass ich mich in den USA spielerisch besser entwickeln kann. Deswegen bin nach dieser Saison zurück.“ Für eine Saison schließt er sich der De La Salle Highschool im Kern Chicagos an, an der er die „Chicago Toughness“ kennenlernt und ihn vor allem physisch auf den Männerbasketball vorbereitet. Weitere Schritte dorthin nimmt er an der renommierten Findlay Prep in Nevada, die ihn für das letzte Highschool-Jahr rekrutiert. „Wenn du dort spielst, haben dich alle Scouts der größten Colleges auf dem Radar. Das war eine riesige Chance für mich“, erklärt Gavin den erneuten Wechsel, von denen er alleine in seiner Zeit als Highschooler ganze vier hat. Wie erhofft, werden die großen studentischen Einrichtungen der USA auf ihn aufmerksam. Am Ende fällt seine Qual der Wahl auf die Michigan State University, die er etwa einem Studentenleben im sonnigen Kalifornien vorzieht. Dass die Entscheidung derart ausfällt, hat zwei wesentliche Gründe für den damals 18-Jährigen: Coaching Legende Tom Izzo und die familiäre Atmosphäre am Campus. „Bei Coach Izzo wusste ich, dass ich viel lernen werde. Er ist ein oldschool Coach, der dich ungemein fordert und teilweise hart anpackt. Wenn du damit zurechtkommst – und das bin ich – bringt dich das sowohl mental als auch physisch auf ein neues Level.“

Mit dem Team spielt Gavin auf allerhöchstem College-Niveau und erreicht im Frühjahr 2015 das Halbfinale um die nationale Meisterschaft, das jedoch mit 61:81 gegen die hochdekorierte Duke University verloren wird. „Wir haben zwar gegen ein Team mit fünf aktuellen NBA-Spielern verloren. Aber die Erfahrung vor 60.000 Zuschauern zu spielen, war unglaublich!“ Die Zeit in East Lansing, knapp drei Autostunden entfernt von Chicago, hat nicht nur diese Höhen. So muss der als künftiger NBA-Spieler angesehene Schilling sein viertes Collegejahr aufgrund einer Knieverletzung aussetzen und hat im Folgejahr den talentierten Jaren Jackson Jr. vor der Nase. Mit weniger Spielzeit und 2,8 Punkte sowie 3,2 Rebounds pro Spiel ist der defensivstarke Center nun nicht mehr interessant für die NBA-Scouts. Die verschlossene Tür zur NBA öffnet die Tür für die Rückkehr nach Deutschland und die Gelegenheit, bei ratiopharm ulm in der Nähe der in Augsburg lebenden Familie zu spielen. Bevor es dort so richtig losgeht, steht Gavin erneut eine Verletzung im Weg: „Sie hatten mich als Starter eingeplant. Doch dann war ich zum wiederholt falschen Zeitpunkt verletzt und sie holten Bogdan Radosavljevic als Ersatz, der das ganze Jahr über blieb.“ Viel mehr Spielpraxis lieferte auch das zweite Jahr in Schwaben nicht. Als „gute Zeit“ reflektiert Schilling diesen Abschnitt in seiner Karriere, doch geklickt hat es dort erst beim Finalturnier in München im Sommer 2020. Dennoch fällt die Entscheidung für einen Ortswechsel und gesicherte Spielzeit in Braunschweig.

Er kann es aber auch ordentlich per Dunk krachen lassen!
Foto: SoulClap Media

Mit Headcoach Pete Strobl trifft Gavin hier auf einen alten Bekannten aus Ulmer Tagen: „Ich habe in Ulm schon gut und gerne mit ihm gearbeitet. Er gibt mir dieses Vertrauen, dass ich im Spiel auch Fehler machen darf und nicht um meine Auswechslung fürchten muss.“ Generell weiß das athletische Kraftpaket, an welchen Stellschrauben er drehen muss, um die nächsten Schritte auf der Karriereleiter zu gehen. „Das betrifft vor allen Dingen mein ‚offensive package‘: Ich muss dominanter im Lowpost werden, mein Repertoire an Post-Moves erweitern und meine Entscheidungsfindung verbessern. Dazu arbeite ich hart an meinem Wurf, hoffentlich fällt bald auch der Dreier.“ Bei Finten und Bewegungen unter dem Korb lässt er sich gerne von Kollegen aus der Euroleague oder der NBA inspirieren: „Ich schaue viel Basketball im Fernsehen – natürlich als Fan und um die Spieler auf meiner Position zu beobachten. Da versuche ich immer etwas für mein Spiel mitzunehmen“. Dass die NBA Inspiration und Motivation zugleich sind, verhehlt der Big Man nicht und erklärt, dass es sein Ziel sei „in zwei oder drei Jahren den Sprung zu schaffen“. Die Losung heißt nun erstmal, mit den Löwen im Teamverbund eine konstante Leistung auf das Parkett zu bringen: „Wir starten oft etwas ‚sloppy‘ in die Spiele, da sind wir nicht mit unserer ganzen Energie auf dem Court. Doch wenn wir auftreten wie in der zweiten Halbzeit gegen Vechta, aggressiv und als Team, sind wir schwer zu stoppen.“

Zuversicht und Optimismus versprüht Gavin ebenso mit Blick auf die Corona-Pandemie, der er doch etwas Positives abgewinnen kann: „Sicher, es ist schwieriger an einem neuen Ort, wenn du keine Leute kennenlernen kannst oder nichts unternehmen darfst. Aber dafür kann ich mich voll auf Basketball fokussieren und diese Phase wird nicht für immer andauern.“ Wie lange seine Zeit in Braunschweig andauern wird, werden die Leistungen auf dem Feld bestimmen. Bis wieder örtliche Bewegung in den Lebenslauf von Gavin kommen, darf aber gerne noch einige Zeit vergehen und in dieser darf der sprunggewaltige Center für die Löwen weiterhin die physikalischen Grundgesetze durch seine spektakulären Dunks außer Kraft setzen.

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