„Für unseren Standort ist es eine existenzbedrohende Situation“

„Für unseren Standort ist es eine existenzbedrohende Situation“

01.04.
2020

Das Corona-Virus hält die ganze Welt in Atem und die zu seiner nötigen Eindämmung ergriffenen Maßnahmen wirken sich auch massiv auf die Klubs in der easyCredit BBL aus. Darüber und über die gegenwärtig sehr schwierige Situation am Standort Braunschweig spricht unser Geschäftsführer Sebastian Schmidt in diesem Interview.

Erst einmal vorab die Frage: Wie geht es Ihnen und Ihrer Familie derzeit?

Sebastian Schmidt: Gesundheitlich geht es uns gut und unser Sohn Lars hält uns gut auf Trab, vor allen Dingen meine Frau (lacht). Aber natürlich ist die aktuelle Situation für niemanden leicht. Man hat einen veränderten Alltag und macht sich derzeit viele Gedanken, sowohl, was die Auswirkungen auf die Gesellschaft, aber auch die Arbeit anbelangt. Es ist für uns alle eine neue und sicherlich bedenkliche Situation.

Die Entwicklungen in den vergangenen Wochen waren rasant. Zuerst gewinnen die Löwen noch beim SYNTAINICS MBC und wenige Tage später folgte die Entscheidung der easyCredit BBL, den Spielbetrieb zunächst bis auf Weiteres und nun bis zum 30. April auszusetzen. Wie haben Sie diese letzten Wochen erlebt?

Ich muss zugeben, dass die Situation rund um das Corona-Virus alle viel schneller eingeholt hat, als man das vermutlich erwartet hatte. Als wir beim MBC gespielt haben, hat man schon eine gewisse veränderte Stimmung im Land wahrgenommen. Aber unmittelbar danach haben sich die Ereignisse überschlagen. Am 12. März fand eine außerordentliche Liga-Tagung in Stuttgart statt, wo wir zunächst einstimmig entschieden haben, die Saison bis auf Weiteres auszusetzen. Vergangene Woche kam es zu einer weiteren BBL-Tagung – dieses Mal als Video-Konferenz – mit dem Ergebnis, dass die easyCredit BBL ihren Spielbetrieb bis mindestens zum 30. April 2020 weiter aussetzt. Gleichzeitig bleibt es bei dem erklärten Ziel, die Saison 2019/2020 zu einem späteren Zeitpunkt geordnet zu Ende zu spielen. Insgesamt ist es eine rasante Entwicklung und jeden Tag passiert eigentlich etwas Neues, was sehr viele vor unglaublich große Herausforderungen stellt, auch uns. Denn für uns als Standort ist es aus wirtschaftlicher Sicht eine existenzbedrohende Situation. Wir hätten noch sieben Heimspiele – darunter auch unsere Bestseller gegen München und Berlin, die einen wichtigen Posten unserer Finanzplanung ausmachen.

Sie haben die Entscheidung für richtig befunden, weiterhin bis mindestens zum 30. April auszusetzen. Was bedeutet das gegenwärtig für die Löwen?

Aufgrund der aktuellen Situation war es mehr als logisch und nachvollziehbar, den Spielbetrieb zunächst weiterhin bis Ende April auszusetzen. Da kann es in erster Instanz aus gesundheitlicher Sicht, aber auch in Anbetracht dessen, dass die Liga und die Klubs bei Partnern für entsprechende Leistungen in der Pflicht stehen, keine zwei Meinungen geben. Es war allerdings auch wirtschaftlich betrachtet wichtig für die Klubs, eine konkrete Aussage dahingehend zu erhalten, dass bis zum 30. April nicht weitergespielt wird. Denn mit der ersten Aussage, dass wir bis auf Weiteres aussetzen, war nicht einfach zu arbeiten. Die jetzige Entscheidung gibt uns die Möglichkeit, organisatorische Dinge zu klären. Das heißt in erster Linie, mit Spielern und Mitarbeitern konkret über die Situation und natürlich über Kurzarbeit zu sprechen. Zudem müssen auch viele administrative Aufgaben bewältigt werden, zum Beispiel um verschiedene Anträge bewilligt zu bekommen. Diese zumindest temporäre Klarheit zu haben hilft uns, um Lösungen zu finden, aber auch um unsere Sponsoren besser „abholen zu können“. Denen konnten wir jetzt immerhin mitteilen, dass wir vorerst bis zum 30. April pausieren und dann entscheiden werden, wie es weitergeht.

Für wie realistisch halten Sie es, dass die Saison noch beendet werden kann – dann vermutlich mit einem verkürzten Spielplan?

Das kann ich überhaupt nicht einschätzen und ich will mich auch nicht zu einer Aussage hinreißen lassen, zumal ich kein Virologe bin.

Was würde es finanziell für die Löwen bedeuten, wenn die Saison nicht mehr oder ohne Zuschauer zu Ende gespielt werden würde?

Grundsätzlich gibt es drei Szenarien, die man unterscheiden muss:

Szenario 1) Die Saison wird nicht zu Ende gespielt.
Szenario 2) Die Saison wird zu Ende gespielt.
Szenario 3) Die Saison wird ohne Zuschauer zu Ende gespielt.

Ich schätze die Lage im Moment so ein, dass das mittlere Szenario ausscheidet, und wir uns auf die Szenarien eins und drei konzentrieren müssten. Sportlich gesehen wäre es natürlich wertvoll, wenn man die Saison möglicherweise mit verändertem Playoff-Modus beenden könnte. Dann hätte man einen sportlichen Absteiger, aber auch Meister und wüsste ebenso, wer einen Playoff-Platz erreicht hat. Zumal die beiden letzten Punkte auch den internationalen Spielbetrieb für die kommende Saison regeln. Allerdings muss man ehrlich sein und sagen, dass derzeit andere Dinge Priorität haben.

Finanziell ist es für uns faktisch so, dass wir bei Fortsetzung des Spielbetriebs ohne Zuschauer natürlich mehr Kosten hätten als manch ein anderer Klub. Schließlich haben wir noch sieben ausstehende Heimspiele, für die wir unter anderem die Mietkosten für die Volkswagen Halle tragen müssten, hätten aber im Gegenzug dazu keine Tagesticket-Einnahmen. Wirtschaftlich betrachtet würde die Wiederaufnahme des Spielbetriebs explizit an unserem Standort also definitiv Mehrkosten verursachen. Generell kann ich jedoch sagen, dass egal, welche der beiden Szenarien greifen, wir in jedem Fall einen Fehlbetrag im höheren sechsstelligen Bereich haben werden.

Das verdeutlicht, weshalb die gegenwärtige Situation für die Löwen – wie Sie eingangs sagten – existenzbedrohend ist. Welche Schritte haben Sie bereits unternommen bzw. sind angedacht, um diese schwierige Situation zu überstehen?

Zunächst einmal möchte ich deutlich machen, dass ich positiver Dinge bin, dass wir diese sehr schwierige Situation überleben werden. Und um das zu realisieren, gehen wir verschiedene Dinge an. In jedem Wirtschaftsjahr bilden die Gehaltskosten den größten Posten und darunter fallen natürlich vor allem die Spielergehälter. Gegenwärtig führe ich Gespräche mit Spielern und Agenten, um finanzielle Lösungen zu finden und diesen erheblichen Kostenblock zu senken. Hierzu habe ich auch schon erste positive Rückmeldungen erhalten. Im zweiten Schritt steht die Kurzarbeit für alle weiteren Mitarbeiter im Raum – das betrifft Trainer, aber auch Geschäftsstellen-Mitarbeiter. Da gibt es natürlich Richtlinien, die einzuhalten sind. Zudem können und werden wir zum Beispiel im Geschäftsstellenbereich nicht auf 0 herunterfahren. Wir haben alle Aufgaben zu erledigen und vor allen Dingen auch die mögliche Wiederaufnahme der laufenden Saison, aber auch die neue zu planen. Das heißt, es wird noch Arbeit geben, wenngleich auch im deutlich reduzierten Maße.

Des Weiteren gilt es für uns, auf einen positiven Jahresabschluss hinzuarbeiten sowie liquide zu bleiben, damit wir den Zahlungsverkehr aufrecht erhalten können. Diesbezüglich kläre ich derzeit, welche staatlichen Fördermittel wir beziehen können, die beispielsweise die Liquidität gewährleisten. Hinzukommend stehe ich im engen Austausch mit unseren großen Sponsoren, dem Aufsichtsrat und unseren Gesellschaftern, um gemeinsam zu überlegen, welche weiteren finanziellen Lösungen es geben könnte. Das Thema Sponsoring ist gerade jetzt sehr wichtig und wir hoffen, dass unsere Sponsoren uns weiterhin treu sind und uns auch in dieser schwierigen Situation unterstützen. Unabhängig der genannten Punkte Gehälter, Sponsoring, Zusammenarbeit mit Aufsichtsrat und Gesellschaftern sowie staatliche Fördermittel denken wir auch über mögliche Aktionen wie Crowdfunding nach, um unseren Fehlbetrag positiver zu gestalten. Im Moment sind wir dabei, etwas zu erarbeiten, das Hand und Fuß hat und möglichst erfolgversprechend ist.

Gehen wir davon aus, dass die Löwen durch diese Krise kommen und im Herbst eine neue easyCredit BBL-Saison starten wird: Was glauben Sie, welche Auswirkungen die Corona-Krise auf diese bzw. den Markt haben werden?

Ich gehe davon aus, dass der Markt sich extrem verändern wird und dass Spielergehälter sich zum Teil drastisch reduzieren werden. Eigentlich ist der Markt in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen, auch aufgrund der immer besser werdenden Qualität im deutschen Basketball. Ich glaube allerdings, dass es nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa einen erheblichen Rückgang der Gehälter geben wird. Denn im Moment kämpfen alle und es kommt darauf an, die aktuelle Saison zu überleben. Und das betrifft ja nicht nur die deutschen Klubs, sondern auch die anderen europäischen Ligen. Inwieweit das wirklich Konsequenzen hat bleibt abzuwarten. Aber ich erwarte so oder so, dass es eine ganz spannende Zeit wird, wenn es darum geht, Spieler zu verpflichten. Die Preise, die man kannte, wird man neu bewerten und ebenfalls schauen müssen, was für uns in Braunschweig möglich sein wird. Zudem wird sich auch der Ablauf bei Spielerverpflichtungen verändern und sich nach hinten verschieben. Denn normalerweise würde ich jetzt schon Gespräche führen, die momentan aber logischerweise auf Eis gelegt sind.

Unabhängig der eigenen Maßnahmen, die Sie in die Wege leiten: Was könnte von außen getan werden, um die Löwen zu unterstützen?

An dieser Stelle möchte ich erst einmal sagen, dass wir uns herzlich bei denjenigen bedanken, die sich bereits bei uns gemeldet, uns Mut gemacht und sich uns gegenüber solidarisch gezeigt haben. So haben wir beispielsweise schon von mehreren Sponsoren erfahren, dass sie uns weiterhin unterstützen. Und es gibt auch Dauerkartenbesitzer, die uns bereits signalisiert haben, dass sie auf eine Rückerstattung verzichten würden, sollte die Saison nicht mehr fortgesetzt werden. Tatsächlich sind das genau die Dinge, mit denen man uns wirklich helfen kann bzw. helfen könnte, um durch diese Krise zu kommen. Wir hoffen und bauen auf den Zusammenhalt mit unseren Sponsoren und Fans. Denn ihre große Solidarität ist ein entscheidender Aspekt für uns, um die gegenwärtige Herausforderung zu meistern und weiterhin Erstliga-Basketball in Braunschweig zu ermöglichen.

Vielen Dank für das Gespräch.

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