Derek Needham: Hundefreund, „Maschine“ und Anführer

Derek Needham: Hundefreund, „Maschine“ und Anführer

29.03.
2016

Das REBOUND-Team hat sich vor einigen Tagen mit Derek Needham, seiner Frau Michelle und der französischen Bulldogge Pierre getroffen und dabei einiges über den Löwen-Spielmacher erfahren. Was Derek zu erzählen hatte, lest ihr hier in der Homestory…

Pierre wuselt durch die Löwen-Geschäftsstelle und macht sein Herrchen und Frauchen gleichermaßen verrückt. Die erst vier Monate alte französische Bulldogge ist seit wenigen Tagen ein Teil der Familie Needham und raubt heute allen die Show. „Pierre hält uns echt auf Trapp. Er springt überall herum, schnappt alles auf, was ihm in die Hände gerät. Für uns ist er wie ein kleines Baby, das uns selbst nachts nicht durchschlafen lässt“, erklärt „Papa“ Derek. In den USA besitzen seine Frau Michelle und der Löwen-Guard bereits einen Hund. Der durfte jedoch nicht mit nach Deutschland und befindet sich derweil in der Obhut von Dereks Mutter. Witzigerweise, so erklärt er, haben auch sein Bruder und Michelles Schwester ihre Familien kürzlich mit einem Hund erweitert. Eine große Hundefamilie erwartet Pierre demnach, wenn es im Sommer zurück nach Amerika geht: „Er weiß noch gar nicht, welcher Spaß drüben auf ihn wartet“, sagt Derek mit einem Grinsen im Gesicht, das er immer aufträgt – selbst auf dem Parkett. Mit seiner positiven Art und seinem humorvollen Charakter steckt der Mann aus Dolton, Illinois, die Menschen in seinem Umfeld an. Außer einen: Pierre, der wolle bisher nur zu Michelle. „Wenn sie z.B. mit ihrer Mutter über Facetime spricht, möchte er immer in den Bildschirm springen und ist davon total fasziniert. Habe ich dagegen mein Handy in der Hand, kümmert ihn das überhaupt nicht. Aber bald sind Pierre und ich ein paar Tage alleine, dann wird sich das auch ändern“, sagt er wieder mit einem Lachen.

Bei den bisherigen Stationen in Litauen und der Ukraine verlebte der 25-Jährige die Saison alleine, da Michelle in der Heimat arbeiten musste und ihn nur zur Weihnachtszeit besuchen konnte. In Braunschweig steht sie ihm nun das ganze Jahr über zur Seite. Eine Woche bevor Derek in die Löwenstadt kam, gaben sie sich in New York das Ja-Wort. „Es bedeutet mir alles, dass sie mit mir hier ist. Sie ist der Grund dafür, dass ich besser spiele als zuvor. Ich bin ruhiger und entspannter – irgendwie ist alles einfacher mit ihr. Ich kann die Zeit hier viel mehr genießen. Und: ich esse besser, denn Michelle kocht immer lecker und gesund für uns.“ Eine Schwäche hat er aber dennoch: „Ich liebe Süßigkeiten!“ Trotz dieser Vorliebe ist dank Dereks Hingabe und Einsatz für den Sport kein Gramm Fett zu erkennen.

„Ich war zunächst schlecht, furchtbar schlecht“

Seine Liebe zum Basketball begann im Alter von acht Jahren, als er sich gegen Baseball und für das orangene Leder entschied: „Mein Onkel hat für die AAU, eine große Sportorganisation in den USA, gearbeitet. Und er wollte, dass ich es mit Basketball versuche. Da es mir viel Spaß gemacht hat und eine größere Herausforderung als Baseball darstellte, bin ich dabeigeblieben.“ Einfach fiel ihm dies anfangs nicht: „Ich war zunächst schlecht, furchtbar schlecht. Aber ich habe es wie gesagt als Herausforderung aufgefasst und wollte sehen, wie weit ich es bringen kann – bisher schaut es in dieser Hinsicht doch ganz gut aus.“ Dass er heute der Spieler ist, der er ist, verdankt er vor allem einem Mann: Bob Simon. Der damalige Assistant Coach der Fairfield Universität im Bundesstaat Connecticut rekrutierte Derek und förderte ihn fortan: „Bob weckte mich jeden Morgen um sieben Uhr und ging mit mir noch vor den Vorlesungen in die Halle, um an meinem Wurf zu arbeiten. Die Arbeitsmoral, die mich heute auszeichnet, habe ich komplett ihm zu verdanken. Denn um ehrlich sein, war ich vorher auch nur ein Kind, das Basketball spielt – ohne diesen großen Ehrgeiz.“

?Direkt in seiner ersten Spielzeit am College wartete der nur 1,80 Meter große Spielmacher mit starken Leistungen auf und wurde von der Internetseite collegeinsider.com neben heutigen NBA-Stars wie John Wall oder Kawhi Leonard als einer der besten Basketballer des Landes ausgezeichnet. „Das war schon cool in einem Atemzug mit diesen Jungs genannt zu werden – im Nachhinein bringt dir so etwas natürlich nichts“, merkt er an, während er Pierre mal wieder zurückpfeifen muss.?Zurückblickend bewertet Derek die Wahl einer kleineren Universität als „eine der besten Entscheidungen meines Lebens“. Denn: Neben einer großartigen sportlichen Karriere lernte er im zweiten College-Jahr seine jetzige Ehefrau Michelle kennen. „Ich wollte sie eigentlich schon im ersten Jahr ansprechen, da hatte sie aber noch einen Freund. Im folgenden Jahr haben wir einen Kurs zusammen belegt und von da an nahm alles seinen Lauf.“??Nach vier Jahren College und einem Abschluss in Soziologie führte der sportliche Weg den sympathischen Löwen nach Europa. Dort, so scheint es, nimmt er eher den Weg über die Autobahn anstatt der tempogebremsten Landstraße. Auf der Überholspur unterwegs gewann er 2014 in Litauen mit BC Siauliai und 2015 in der Ukraine mit BC Khimik Juschni jeweils die nationale Meisterschaft. Derek war der Anführer seiner Teams, wurde in der Ukraine gar als wertvollster Spieler der Finalserie ausgezeichnet. Noch bemerkenswerter als diese Tatsache: Khimik blieb über die gesamte Saison ungeschlagen. Mit einer Bilanz von 36:0 beendeten sie die Spielzeit: „Das war unglaublich! Wir haben kein einziges Spiel verloren!“, gerät er beim Erzählen ins Schwärmen: „Wenn ich daran zurückdenke muss ich sagen: Man, hatten wir ein talentiertes Team! Zwar gab es neben mir nur einen weiteren Ami, dafür eine Menge an Nationalspielern.“ Eine Anekdote aus der vergangenen Saison amüsiert ihn dabei immer noch: „In einem Spiel trifft ein Teamkollege mit dem Fuß auf der Linie einen Buzzerbeater zum Ausgleich und alle dachten: Jetzt geht es in die Verlängerung – falsch gedacht. Die Schiedsrichter sahen einen Dreier, das Spiel war aus und wir gewannen mit einem Punkt.“ Dass sie trotz perfekter Bilanz ausreichend getestet wurden, verdeutlicht er an einem Sieg mit 20 Punkten Differenz, bei dem sie vorher mit 14 Zählern zurücklagen. Wie sie diese Begegnung drehen konnten und in der Höhe für sich entschieden, ist ihm noch heute ein Rätsel.

„Das Leben hier ist mit dem in Litauen und in der Ukraine nicht vergleichbar“

Beinahe interessanter als der sportliche Verlauf in Osteuropa, schien der Weg dorthin. Dass in der Ukraine Bürgerkrieg herrschte, schreckte Derek vorerst nicht davon ab, einen Vertrag im Süden des Landes zu unterschreiben. Er wurde jedoch schnell eines Besseren belehrt: „Am Dienstag habe ich den Vertrag unterschrieben und den Donnerstag danach wurde das malaysische Flugzeug abgeschossen. Als ich davon hörte, habe ich sofort versucht, meinen Vertrag aufzulösen.“ Nachdem der General Manager des Clubs ihm versicherte, dass der Süden der Ukraine sicher ist, entschied sich Derek den Vertrag aufrechtzuerhalten.?„Wenn ich es rückblickend betrachte, hatte er natürlich Recht. Aber wenn du diese Bilder im Kopf hast und sie immer im Fernsehen siehst, denkst du dir: Was ist, wenn sie mein Flugzeug auch abschießen? Und es wurde nicht ein Kampfflieger abgeschossen, sondern ein Linienflugzeug, in dem ich auch sitzen werde. Unabhängig davon, wie viel Geld sie mir bieten würden, wenn ich gar nicht erst lande, hat das alles keinen Sinn.“ Auch Michelle machte sich selbstverständlich größte Sorgen: „Ich hatte solche Angst, ich war krank vor Sorge um ihn. Denn wenn du weißt, dass so etwas einmal passiert, kann es auch noch ein zweites Mal passieren. Das Wissen, dass dein Freund in ein Land geht, in dem Krieg herrscht, war wirklich beängstigend.“?Trotz aller Bedenken stieg Derek in den Flieger und gibt zu, aufgrund seiner Nervosität kein Auge zugemacht zu haben: „Ich habe einfach nur gebetet, dass wir sicher landen.“?Mit festem Boden unter Füßen sei dann alles sicher gewesen, in Juschni waren keine Anzeichen des Kriegs zu sehen. Doch musste die Mannschaft viermal in der Saison durch das Kriegsgebiet im Osten des Landes zu Auswärtsspielen reisen: „Ich war jedes Mal so nervös auf den Reisen und einfach froh, wenn wir wieder zu Hause waren. Einmal wurden wir gestoppt und unser Bus durchsucht. Da bekommt schon ein mulmiges Gefühl“, erzählt Derek und betont, dass eine frühzeitige Abreise in die USA trotzdem nicht zur Debatte stand.??Im Sommer des letzten Jahres folgte dann der nächste Karriereschritt nach Braunschweig. „Das Leben hier ist mit dem in Litauen und der Ukraine absolut nicht vergleichbar. Aber mein Fokus liegt während der Saison ohnehin nur auf Basketball. Klar, gehen Michelle und ich auch aus ins Kino oder zum Essen. Dennoch ist in meinem Kopf eigentlich nur Basketball, Basketball, Basketball.“ Ob Michelle das gefalle? „Nein, aber sie versteht es.“ Diese Einstellung rühre daher, so sagt der Point Guard, dass er in den Jahren zuvor alleine war und sich folglich nur auf den Sport konzentrieren konnte. Für ihn persönliche verlaufe die Saison „ganz gut“, aber „ich habe momentan das Gefühl, dass in diesem Jahr bisher so viel passiert ist, wie in der gesamten letzten Saison nicht. Die ganzen Ups and Downs, die Verletzungen… Es wäre eine Belohnung und gleichzeitig Genugtuung, wenn wir es noch in die Playoffs schaffen würden. Diesbezüglich bin ich weiter optimistisch, denn in dieser Liga kann jeder jeden schlagen“, versprüht der Löwen-Anführer ungebrochene Zuversicht. Die Playoff-Teilnahme würde ihm in dem Fall sogar mehr bedeuten, als die ungeschlagene Spielzeit in der Ukraine.

Um dieses Ziel zu erreichen, arbeitet Derek unermüdlich an seinem Spiel, denn „ich finde immer Dinge, die ich verbessern kann.“ Dazu sieht er sich auch ganz speziell die Spiele eines Spielers an: „Stephen Curry. Wenn Kobe Bryant nicht mehr spielt, wird er mein Lieblingsspieler. Das habe ich bereits beschlossen und möchte ich hiermit auch öffentlich machen“, erklärt er lachend: „Ich schaue mir alle Highlights von Steph an. Gucke genau, wie er sich auf dem Feld mit und ohne Ball bewegt, studiere sein Ballhandling und wie er den Ball passt. Ich versuche so immer etwas mitzunehmen für mein Spiel.“ Obwohl Curry nicht der athletischste oder schnellste Spieler sei, habe er es mit seiner Mentalität und Arbeitseinstellung unglaublich weit gebracht. Eine Beschreibung, die auch Eins zu Eins auf Derek übertragbar ist und mit der er sich in Braunschweig den Spitznamen „Maschine“ erarbeitet hat. Wie weit ihn diese bringen wird, wird die Zukunft zeigen. Doch eins merkt er zum Abschluss an, bevor er und Michelle mit Pierre zurück auf die Grünfläche hinter der Tunica-Halle gehen: „Irgendwann möchte ich in der Euroleague spielen – das ist mein Ziel!“

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